(dm) Mit der angekündigten Flexibilisierung des Kindergartens und der Bildung regionaler Spezialklassen reagiert der Kanton Aargau auf den spürbaren Druck im Bereich der Sonderschulbildung. Die Zahl der Kinder mit besonderem Förderbedarf steigt – und die bestehenden Schulplätze reichen seit längerer Zeit nicht mehr aus. Dies zeigten in der Vergangenheit verschiedenste Vorstösse. Doch so gut die Absicht nun sein mag: Die präsentierten Sofortmassnahmen werfen grundlegende Fragen und Kritik auf.
Zunächst irritiert der Zeitpunkt der Bekanntgabe. Zwei Wochen vor den Sommerferien wird den Gemeinden und Schulen ein Massnahmenpaket präsentiert, das tiefgreifende organisatorische Veränderungen an den Schulen mit Unterstützung der Gemeinden verlangt. In einer Phase, in der Jahresabschlüsse, Zeugnisse, Jugendfeste, Klassenübergaben und vieles mehr im Zentrum stehen, bleiben schlichtweg weder Zeit noch Kapazitäten, um neue grundlegende Strukturen wie regionale Spezialklassen seriös aufzubauen. Die kurzfristige Kommunikation wirkt planlos – und lässt die Betroffenen mit offenen Fragen zurück.
Auch die Flexibilisierung des Kindergarteneintritts ist kritisch zu hinterfragen. Ein zusätzliches Jahr im Kindergarten für Kinder mit Sonderschulbedarf mag auf den ersten Blick als entlastende Massnahme erscheinen. Doch ob dies pädagogisch sinnvoll ist, bleibt fraglich. Kinder mit komplexen Unterstützungsbedarfen brauchen gezielte, professionelle Förderung – nicht einfach mehr Zeit in einem ohnehin stark belasteten System. Statt individueller Förderung droht hier ein Aufschub ohne nachhaltige Perspektive.
Hinzu kommt die zentrale Rolle der Gemeinden. Obwohl der Kanton offiziell von Unterstützung spricht, wird klar: Die Umsetzung liegt weitgehend bei den kommunalen Schulträgern – und das in einer Situation, in der viele Gemeinden bereits unter steigenden Anforderungen leiden. Die neuen Massnahmen bergen das Risiko, dass der Kanton Verantwortung abgibt, ohne für entsprechende Voraussetzungen zu sorgen. Damit entsteht der Eindruck, dass man die strukturelle Krise vor allem dezentral zu lösen versucht – mit improvisierten Lösungen statt nachhaltigen Reformen.
Die seit langer Zeit bestehende Forderung, dass Abklärungen für möglichen Unterstützungsbedarf viel schneller und unbürokratischer sein sollten, wird mit diesen Massnahmen nicht gefördert. Im Gegenteil, – es könnte sein, dass einmal mehr diese Forderung auf die lange Bank geschoben wird.
Für die Mitte Aargau ist klar, dass die Herausforderungen im Bereich der Sonderschulung real und dringlich sind und begrüssen es, dass diese ernst genommen werden. Dazu haben wir uns immer wieder geäussert und eingesetzt. Wir setzen uns mit den Schulen und den Gemeinden für nachhaltige Lösungen ein und möchten vorausschauend und gemeinsam mit den Beteiligten handeln.