(pd) Die Anmeldungen an Sonderschulen nahmen in den letzten Jahren stark zu. Sie übersteigen das bestehende Angebot an Sonderschulplätzen deutlich. Der Kanton Aargau ergreift deshalb weitere Sofortmassnahmen. Er erhöht damit den Spielraum für Gemeinden und unterstützt die Regelschulen mit einem neuen Angebot, damit möglichst alle Kinder angemessen beschult werden können.
Als Träger der Volksschule stellen die Gemeinden eine angemessene Beschulung für alle Kinder und Jugendliche sicher. Der Kanton unterstützt sie dabei und reagiert nun mit zwei weiteren Sofortmassnahmen auf die wachsende Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit ausgewiesenem Sonderschulbedarf.
Stärkung des Kindergartens
Die zunehmend grosse Heterogenität in der Entwicklung und Sozialisation der Kinder in sprachlicher, motorischer, sozialer und kognitiver Hinsicht zeigt sich besonders ausgeprägt im Kindergarten. Der Regierungsrat hat deshalb eine Flexibilisierung der Rahmenbedingungen für den Ein- und Austritt in den Kindergarten beschlossen. Neu kann der Gemeinderat auf Gesuch der Eltern hin eine Dispensation von mehr als einem Halbtag im ersten Kindergartenjahr bewilligen. Zudem wird eine längere Verweildauer bis zu drei Jahre im Kindergarten ermöglicht. Ziel ist es, Rückstellungen zu reduzieren und die Kinder im Rahmen eines flexibel gestalteten Kindergartenbesuchs möglichst optimal zu fördern. Damit wird der Kindergarten gestärkt und die Kinder erhalten die Zeit, die sie benötigen, für den Eintritt in die erste Klasse.
Bildung von regionalen Spezialklassen
Regionale Spezialklassen sind ein neues Beschulungssetting, das gemäss Regierungsbeschluss ab dem Schuljahr 2025/26 eingeführt wird. Mehrere Gemeinden zusammen können Spezialklassen bilden, in denen Kinder und Jugendliche, die trotz Anmeldung an einer Sonderschule keinen Platz erhalten haben, regional koordiniert unterrichtet werden. Das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) unterstützt die Schulen bei der Planung und dem Aufbau der regionalen Spezialklassen und finanziert diese Angebote zusätzlich. Die Bildung von ersten entsprechend zusammengestellten Klassen ist auf das nächste Schuljahr geplant.
Kanton unterstützt
Regelschulen bereits mit weiteren Massnahmen
Trotz der zusätzlichen Massnahmen wird es weiterhin auch Kinder und Jugendliche mit Sonderschulungsbedarf geben, die in Regelklassen unterrichtet werden. Der Kanton unterstützt die Schulen dabei und führt bereits bestehende Massnahmen weiter: So steht ihnen seit Längerem eine behinderungsspezifische Beratung und Begleitung für in der Regelschule geförderte Kinder und Jugendliche mit einer kognitiven, gesundheitlichen, körperlichen, sprachlichen oder sensorischen Beeinträchtigung oder mit einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung zur Verfügung. Seit Jahresbeginn unterstützt eine kantonale Koordinationsstelle Regel- und Sonderschulen bei der Zuweisung. Zudem ermöglicht das Departement BKS den Schulen wie bereits im vergangenen Jahr den Einsatz sogenannter Härtefallressourcen für die Schulung von Kindern und Jugendlichen mit ausgewiesenem Sonderschulbedarf sowie für die Begleitung bei der Rückkehr aus der Sonderschule in die Regelschule. Das Verfahren zur Einreichung entsprechender Gesuche wurde vereinfacht.
Nachhaltige Entspannung nur mit mittel- und langfristigen Massnahmen möglich
Um eine nachhaltige Entspannung zu erreichen sind auch mittel- und langfristige Massnahmen geplant. Im Rahmen der laufenden Totalrevision des Schulgesetzes ist vorgesehen, die Zuweisung von Kindern nach der Abklärung durch den Schulpsychologischen Dienst neu zu organisieren. Die im Departement BKS angesiedelte Koordinationsstelle soll in Zukunft mehr Kompetenzen erhalten und als Zuweisungsstelle den Prozess nach der schulpsychologischen Abklärung bis zu einer eventuellen Aufnahme in eine Sonderschule begleiten und steuern. Die definitive Umsetzung erfolgt vorbehältlich der Zustimmung des Grossen Rats zum neuen Volksschulgesetz in der zweiten Lesung per 1. August 2026.
Im Rahmen des Projekts Sonderschulung sollen ausserdem die Übertrittsprozesse zwischen Regel- und Sonderschule optimiert werden. Zudem soll ermöglicht werden, dass Kinder und Jugendliche, die in Sonderschulen keinen Platz finden, in Einzelfällen in Privatschulen unterrichtet werden können. Mit der Schaffung eines Kinder- und Jugendhilfegesetzes soll schliesslich die Entwicklung der Kinder im Vorschulbereich unterstützt und gestärkt werden, sodass sie grundlegenden Fähigkeiten für den Schulbesuch rechtzeitig erwerben können. Dazu gehört insbesondere die Förderung der deutschen Sprache vor dem Kindergarten und weitere Fördermassnahmen in der frühen Kindheit. Zudem entwickelt und erprobt das Departement BKS zusammen mit den Schulen laufend ergänzende Angebote und Massnahmen zur Erhöhung der Tragfähigkeit der Regelschulen. Die Massnahmen zielen darauf ab, dass alle Aargauer Kinder und Jugendlichen nach ihren Bedürfnissen ausreichend geschult werden können und die kommunale Schulführung gestärkt wird.
Anmeldungen übersteigen Angebot
Für das Schuljahr 2025/26 hat der Schulpsychologische Dienst 729 Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf erhebliche Beeinträchtigung begutachtet. Dabei wurden mit steigender Tendenz tiefgreifende Entwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum-Störungen aber auch soziale Beeinträchtigungen festgestellt. 551 Kinder und Jugendliche mit einer erheblichen Beeinträchtigung wurden in der Folge von den Gemeinden/Regelschulen fristgerecht an eine Sonderschule angemeldet. Damit überstiegen die Anmeldungen an eine Sonderschule die verfügbaren Plätze erneut deutlich. Sie sind gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent gestiegen. Stand heute wurden 241 Kinder und Jugendliche an einer Sonderschule aufgenommen. Nach Schaffung von zusätzlichen Sonderschulplätzen im Aargau und Aufnahmen in ausserkantonalen Sonderschulen werden per Schulbeginn schätzungsweise etwas über 200 Volksschülerinnen und -schüler mit besonderen Schulungsbedürfnissen verbleiben, für die kein Sonderschulplatz zur Verfügung steht. Für diese Fälle unterstützt der Kanton die Gemeinden beim Aufbau von regionalen Spezialklassen.
Bereits heute liegt die Sonderschulquote des Kantons Aargau mit 2,5 Prozent deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt von 1,9 Prozent.