Kein Hydrant und kein Schieber, den er nicht kennt. Ruedi Birri hat den Überblick über das Trinkwassernetz der Gemeinde Zeihen wie kein Zweiter. Inzwischen ist er seit 30 Jahren Brunnenmeister – amtsmüde ist er deswegen noch lange nicht.
SONJA FASLER
Wasser ist ein kostbares Gut. Umso wichtiger ist es, ihm Sorge zu tragen. «Unser Leitungswasser ist einwandfrei», sagt Ruedi Birri, der zweimal jährlich die Wasserqualität prüft. Und wenn einer das weiss, dann ist er es. Es gab auch schon Klagen, das Wasser sei nicht gut oder verfärbt. Dann habe das aber daran gelegen, dass der Filter nicht regelmässig gewechselt worden sei. «Das ist alle zwei bis drei Jahre nötig, aber viele Hausbesitzer vergessen das», weiss Birri und fügt hinzu, dass auch eine schlecht gewartete Entkalkungsanlage der Grund für mangelnde Qualität sein könne.Der Sprung ins kalte Wasser
Wie wird man eigentlich Brunnenmeister? Die Stelle sei damals in der Zeitung ausgeschrieben gewesen, erinnert sich Ruedi Birri, der hauptberuflich Landwirt ist und seinerzeit den Hof seiner Eltern mitten im Dorf übernommen hat. Er überlegte hin und her – um sich kurz vor Ablauf der Anmeldefrist bei der zuständigen Gemeinderätin zu melden und sich über den Umfang der Stelle zu informieren. «Ich traute mir die Arbeit zu, und es gab keine Mitbewerber und schon war ich Brunnenmeister», erzählt der 61-Jährige schmunzelnd. Im Laufe der Jahre hat er sich ein umfangreiches Wissen über die Wasserversorgung in Zeihen angeeignet. «Am Anfang hatte ich null Ahnung. Eine Einarbeitung durch meinen Vorgänger gab es nicht, aber ich konnte ihn fragen, wenn ich etwas nicht wusste.» Buchstäblich der Sprung ins kalte Wasser also. Etwas später begann der Brunnenmeisterverband jährlich zweitägige Kurse durchzuführen, die Birri wenn möglich besucht. «Das Wichtigste ist, dass man das nötige Interesse für das Amt aufbringt, alles andere lernt man mit der Zeit», ist er überzeugt. Längst kennt er jeden der 92 Hydranten und die rund 400 Schieber im Dorf.
Schon bald nach Amtsantritt kam die Aufsicht über das Grundwasserpumpwerk, das der Gemeinde Zeihen gehört, aber in Hornussen liegt, hinzu. Dieses ist mittlerweile zentral für die Zeiher Wasserversorgung, werden von dort doch 200 bis 300 Kubik Wasser pro Tag ins Dorf gepumpt. Ein kleinerer Anteil kommt von der Quelle Iberg, die an guten Tagen lediglich drei bis vier Kubik pro Stunde liefere. Nur die Weiler Eichwald, Iberg und Schlatt beziehen das Wasser aus Linn. Zusätzliches Wasser kommt bei Bedarf durch die Leitung im Autobahntunnel aus Schinznach. Das kommt vor allem in heissen, regenarmen Sommermonaten vor, wenn das Wasser knapp wird. «Wenn der Pegel im Reservoir auf 3,2 Meter sinkt, wird automatisch mehr gepumpt.» Solche Situationen hätten in den vergangenen Jahren zugenommen, so Ruedi Birri. Dies liege nebst dem Wetter an der gewachsenen Bevölkerungszahl und an unvernünftigem Wasserverbrauch. «Es gibt Leute, die duschen zwei- bis dreimal täglich oder lassen das Wasser einfach aus Bequemlichkeit laufen, anstatt es zwischendurch abzustellen. Und bei Hitze und Trockenheit sind Autowaschen, Hausplatz reinigen oder Rasen wässern völlig überflüssig», weiss er. Rund um die Uhr bereit
Brunnenmeister ist im Prinzip ein 24/7-Job. Wenn die Steuerung des Pumpwerks ausfällt oder wenn es einen Wasserrohrbruch gibt, muss sofort gehandelt werden – ob Tag oder Nacht. Schieber- und Hydrantenschlüssel sowie Hammer und weitere Gerätschaften führt der Brunnenmeister stets im Auto mit. Nicht immer ist ein Wasserrohrbruch offensichtlich, weil das Wasser irgendwo heraussprudelt. Ruedi Birri muss stets den Nachtverbraucht im Auge behalten. «Liegt der bei drei bis vier Kubik pro Stunde, ist alles normal, steigt er auf fünf bis sechs, muss ich ein Auge darauf haben», weiss er. Liegt ein Wasserrohrbruch vor, ist oft nicht klar, wo sich dieser befindet. Da ist ein gutes Gehör gefragt, denn aufgrund des Rauschens – das funktioniert nur bei den Hauptleitungen aus Gusseisen, denn bei Kunststoff hört man nichts – kann die Stelle oft geortet werden. Wenn nicht, muss Ruedi Birri eine Fachfirma aufbieten. Diese kann einen Geräuschlogger am Schieber anbringen, um das Leck zu orten. Manchmal sei es wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, so Birri. Ist das Leck gefunden, kann er den örtlichen Bauunternehmer aufbieten, um das Rohr freizulegen. Manchmal könne er das Leck selbst mit einer Schelle abdichten, manchmal müsse die Fachfirma ran. Durchschnittlich gebe es 10 bis 15 Wasserrohrbrüche im Jahr. «Manchmal sind es gleich drei, vier hintereinander. Dann kommt es vor, dass wieder ein Monat Ruhe ist», so der Brunnenmeister. Und was, wenn er in den Ferien ist? «Das kommt selten vor», sagt er lachend. Und wenn, dann sei er telefonisch erreichbar. Da muss natürlich auch die Familie mitziehen. Birri ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Seine Frau Daniela nimmt da natürlich auch den einen oder anderen Anruf entgegen.
Gute Nerven sind gefragt
Jeweils im Januar muss er die 378 Wasser- und 638 Stromzähler im Dorf ablesen. Obwohl jeweils in den Gemeindenachrichten darauf hingewiesen wird, seien einige Leute überrascht, wenn er vorbeikomme. Dass er nicht hereingelassen werde, sei aber eher eine Seltenheit. Wo niemand zuhause ist, ruft er an und macht einen Termin aus. Wer sich verweigert, wird aufgrund des bisherigen Wasserverbrauchs eingeschätzt. «Dann klappt es plötzlich mit dem Wasserablesen», meint Ruedi Birri schmunzelnd. Auch sonst braucht es manchmal gute Nerven. So komme es schon vor, dass er beschimpft werde, wenn er das Wasser aufgrund eines Rohrbruchs abstellen müsse. «Wenn es einen ganzen Ortsteil betrifft, kann ich nicht erst alle fragen, ob’s ihnen recht ist», erklärt er und erinnert sich, wie ihn einmal eine Frau wüst beschimpfte, als kein Wasser mehr aus dem Hahn floss. «Ich konterte, ich hätte ihr hier gleich einen Kessel Wasser, es sei einfach etwas braun», sagt Birri, der nie um einen Spruch verlegen ist. «Dann war Ruhe.»
Hammer und Muskelkraft
Zu seinen Aufgaben gehört es auch, die Hydranten regelmässig zu warten. «Die müssen im Fall eines Löscheinsatzes der Feuerwehr funktionieren», betont Birri. Die Schieber hingegen werden nur bei Bedarf bewegt. Da sind manchmal Hammer und Muskelkraft gefragt. Wenn einer so verrostet ist, dass er immer noch klemmt, muss er von einer Spezialfirma mit der Trennscheibe geöffnet werden. Und, wie es der Name schon sagt, gehören auch die Dorfbrunnen zu seinem Ressort. Inzwischen gibt es allerdings nur noch deren drei, vor dem Gemeindehaus, in der Postgasse, und bei der Kapelle in Oberzeihen. Wasserproben beim Kapellen- und Postgassen-Brunnen, beim Pumpwerk und der Iberg-Quelle untersucht jeweils eine Fachfirma.
Ruedi Birri hat noch einige weitere «Jobs» bei der Gemeinde, zum Beispiel die Betreuung der Sirene oder der Altglas-Sammelstelle. Da es sich um ein Nebenamt handelt, wird er im Stundelohn bezahlt. 30 bis 40 pro Woche kämen schon zusammen, schätzt der Brunnenmeister, der als Hobby alte Landmaschinen sammelt, die er selbst restauriert. Auch andere Gerätschaften und Gegenstände aus alter Zeit haben es ihm angetan. Deshalb ist er auch schon einige Jahre Mitglied in der Kulturkommission, die das Dorfmuseum betreut. Ausserdem bieten er und seine Frau regelmässig «Sonntagsbrunch» in der ausgebauten Scheune ihres Bauernhofs an. Wie bringt man das alles unter einen Hut? «Der Tag hat 24 Stunden», sagt Ruedi Birri lachend.
Erstes Bild: Die 92 Hydranten im Dorf müssen regelmässig gewartet werden. «Es ist wichtig, dass sie im Fall eines Löschensatzes der Feuerwehr funktionieren», sagt der erfahrene Brunnenmeister. Foto: Sonja Fasler
Zweites Bild: Ruedi Birri beim Schliessen eines Schiebers. Foto: Sonja Fasler
Drittes Bild: So einfach lässt sich der Deckel eines Schiebers nicht immer öffnen. Foto: Sonja Fasler