Der Verein teilhaben aus Wallbach bietet seit 2028 diverse Veranstaltungen und Treffs, an denen Menschen jeden Alters teilnehmen können. Im ZentrumsTräff in Wallbach begegnen sich verschiedene Generationen von Jung bis Alt zum Kaffee trinken, Singen, Spielen, Stricken und vielem mehr. Mit seinem neuesten Pilotprojekt will der Verein jung an Demenz Erkrankte ansprechen. fricktal.info hat Suzanne Weingart, Präsidentin des Vereins teilhaben, zum Gespräch über den Ankerplatz Demenz Fricktal getroffen.
LILIA STAIGER
Der Ankerplatz Demenz Fricktal ist für zirka 50- bis 70-jährige Personen, die sich im Anfangs- oder mittleren Stadium einer Demenz befinden, konzipiert. Für die Betroffenen werden Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und ein Ort für den Austausch unter Mitbetroffenen bzw. den Dialog mit Nichtbetroffenen geboten. Das Angebot richtet sich speziell an Personen, die im jüngeren Alter an Demenz erkranken.
Demenz ist nicht nur Krankheit des Alters
Im Kanton Aargau sind derzeit hochgerechnet zirka 11 560 Menschen an einer Demenz erkrankt – rund 650 von ihnen vor dem 65. Lebensjahr. «Viele kennen Demenz nur als Erkrankung des Alters», erklärt Suzanne Weingart, Alterswissenschaftlerin und Projektleiterin, «dass auch jüngere Menschen betroffen sein können, ist den meisten nicht bewusst. Doch gerade diese Personen kann eine Demenz besonders schlimm treffen, denn sie stehen in der Regel noch fest im Berufsleben und haben zum Teil Kinder im Jugendalter.» Häufig werden die ersten Anzeichen der Krankheit von der Familie, der Partnerin bzw. dem Partner oder von Kollegen bei der Arbeit entdeckt.
Bewusstsein für Jungbetroffene schärfen
Eine Demenzform, die vermehrt bei Jungbetroffenen auftritt, ist die frontotemporale Demenz. Die Symptome können bei dieser Form mitunter sehr stark ausgeprägt sein; dazu zählen auffällige Persönlichkeitsveränderungen bis hin zu Enthemmtheit. «Vergesslichkeit kann nur eines der Symptome sein, hinzu kommt häufig Antriebslosigkeit», klärt die Vereinspräsidentin auf, «Betroffene finden beispielsweise plötzlich den Weg nach Hause nicht mehr oder verlieren Interesse an dem, was ihnen früher Spass gemacht hat. Wenn die Erkrankten dann noch ihre Arbeitsstelle verlieren, können schnell finanzielle Schwierigkeiten hinzukommen. Eine weitere grosse Problematik bei Jungbetroffenen ist, dass zumeist eine Diagnoseverzögerung von drei bis fünf Jahren stattfindet. «Zuerst wird häufig ein Burn-out oder eine Depression diagnostiziert, bis weitere Anzeichen eindeutig eine Demenz zeigen», berichtet Suzanne Weingart, «mit der Diagnose Demenz kommen dann Erleichterung und Trauer zugleich.»
Dem Projektteam ist es wichtig, dass durch ihr Angebot speziell bei Arbeitgebern, aber auch bei Familienangehörigen und bei der gesamten Bevölkerung ein besseres Bewusstsein für Demenz, speziell für Jungerkrankte, entsteht und sie sensibilisiert werden. Arbeitgeber könnten mit einem besseren Verständnis der Erkrankung beispielsweise mögliche Wege finden, eine Beschäftigung fortzusetzen.
Einander auf Augenhöhe begegnen
Für das Pilotprojekt hat der Verein teilhaben eine innovative Umsetzungsform herausgearbeitet: Die freiwillig Engagierten und die an Demenz erkrankten Teilnehmenden bilden zusammen das Team «Mitgestaltende». «Uns war es wichtig, dass wir den Jungbetroffenen auf Augenhöhe begegnen und dass alle im Team gleichwertig sind», teilt Suzanne Weingart mit, «so erhalten die Betroffenen eine Mitgestaltungsverantwortung und können aktiv mitwirken.» Unterstützung beim Aufbau erhielt das Projektteam von Fachkräften – zwei der Projektteammitglieder sind ausserdem professionelle Pflegepersonen –, ebenso kann es auf Beratung durch geschultes Personal zurückgreifen oder sich weiterbilden, sofern nötig. Wichtig sind dem Projektteam möglichkeitsorientierte Begegnungen. «Wir wollen die Jungbetroffenen als Menschen kennenlernen», betont die Projektleiterin.
Erstes Angebot für Jungbetroffene im Kanton Aargau
Bislang gab es im Kanton Aargau kein vergleichbares Angebot für ausschliesslich jung an Demenz erkrankte Personen, auch wenn die Nachfrage bereits vorhanden war. Betroffene aus dem Fricktal konnten sich zwar an das Atrium Jung des Wirrgarten Basel wenden, das, ähnlich wie der Ankerplatz Demenz, den Betroffenen in einer kleinen Gruppe einen Ort für Austausch und Freizeitgestaltung bietet (inzwischen bereits an vier Tagen in der Woche). Doch die Plätze beim Atrium Jung sind begrenzt, die Entfernung eher weit, und die Kosten sind für Betroffene ebenfalls nicht ausser Acht zu lassen. Die Teilnahme am Ankerplatz Demenz im Fricktal hingegen ist kostenlos.
Kostenlose Teilnahme und Verpflegungspauschale
Für einen Tag im Ankerplatz stehen den Mitgestaltenden, also von der Krankheit Betroffenen und nicht Betroffenen, zudem pro Person 30 Franken zur Verfügung, die für die Verpflegung und für Ausflüge und Freizeitangebote genutzt werden können.
«Wir werden morgens immer gemeinsam im gesamten Team besprechen, wie wir den Tag gestalten möchten, was wir kochen und unternehmen wollen», führt Suzanne Weingart aus, «dann wird zusammen eingekauft, und nach dem Mittagessen bleibt auch Zeit zum Ausruhen. Spaziergänge am Rhein, Spiele mit Bewegung oder eine kreative Aktivität sind nur einige der Beschäftigungsmöglichkeiten.»
Projektstart im Juli
Der Ankerplatz Demenz startet ab Juli 2025 mit Aufnahmegesprächen und findet ab 3. September 2025 immer mittwochs im ZentrumsTräff in Wallbach mit dem Freizeitangebot statt. Das Projektteam, das sind Marianne Candreia (Geschäftsführerin Alzheimer Aargau), Andreas Köchli (Vorstand Verein teilhaben), Brigitte Scartazzini (Mitglied Verein teilhaben), Jeannette Zumsteg (Mitglied Verein teilhaben) und Suzanne Weingart (Präsidium Verein teilhaben und Projektleitung), freut sich auf einen erfolgreichen Start des Projekts sowie auf interessierte Teilnehmende.
Das Pilotprojekt dauert zwei Jahre; es entsteht in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Alzheimer Aargau, Benevol Aargau sowie weiteren Interessierten. Unterstützt wird das Projekt unter anderem vom Spitex Förderverein Fricktal, der Wohnbaugenossenschaft im Zentrum Wallbach, weiteren Sponsoren sowie vom Kanton Aargau mit einem Swisslos-Fondsbeitrag in Höhe von 20 000 Franken.
Weitere Information zum Pilotprojekt Ankerplatz Demenz, zum Vereinsangebot und zu Spenden unter: teilhaben.ch