Am 8. Februar wurden die nationalen Stromnetze von Estland, Lettland und Litauen vom russischen und weissrussischen Stromnetz abgekoppelt und am 9. Februar um 14.05 Uhr mit dem Stromnetz von Kontinentaleuropa synchronisiert
KURT BERETTA, WOLFGANG BOCKS
Der Start des Europäischen Stromverbundnetzes hat am 13. Februar 1904 bei der Brown Nizzola-Plattform in Rheinfelden stattgefunden. An diesem Tag erhielt die 25 000 Volt-Hochspannungsleitung vom Wasserkraftwerk Beznau zum Wasserkraftwerk Rheinfelden die Betriebsgenehmigung des Eidgenössischen Starkstrominspektorates ESTI. Damit war die erste Masche eines Kraftwerkverbundes auf Basis von Drehstrom mit einer Fre-quenz von 50 Hertz gelegt. Drehstrom ist heutiger Weltstandard, die 50 Hertz-Frequenz ist heute Standard in viereinhalb von sechs Kontinenten. Zweck dieses damaligen Verbundnetzes Beznau-Rheinfelden war die Versorgung der Stadt Basel mit elektrischem Strom.
Stern von Laufenburg 1958
Aus den lokalen Verbundnetzen von Kraftwerken entstanden schliesslich Landesnetze mit 220 000 Volt Hochspannung. 1958 wurden im «Stern von Laufenburg» die ersten drei Landesnetze von Deutschland, Frankreich und der Schweiz zusammengeschaltet und synchronisiert. Die Idee dazu stammte massgeblich aus der Schweiz, beim Projekt spielte der Friedensgedanke eine wesentliche Rolle. 1967 erfolgte dann die erstmalige Zusammenschaltung von 380 000-Volt-Ländernetzen wiederum in Laufenburg.
Europäisches Stromverbundnetz 2025
In der neusten Mitteilung der ENTSO-E, dem Verband der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber in Brüssel, wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Synchronisation der baltischen Stromnetze mit dem kontinentaleuropäischen Stromnetz am 9. Februar 2025 um ein historisches Ereignis und einen wichtigen Meilenstein handle. Für die baltischen Staaten werde damit die Energieresilienz – die erfolgreiche Bewältigung von Störereignissen – und die Energieunabhängigkeit erhöht. Die Stromverbindung mit Kontinentaleuropa erfolgt jetzt hauptsächlich über die polnisch-litauische Grenze sowie über Un-terseekabel durchs baltische Meer mit Finnland und Schweden.
Heute hat die ENTSO-E 40 Mitglieder aus 36 Staaten. Die Schweiz ist mit «swissgrid» vertreten, Baden-Württemberg mit «TransnetBW». Als letztes Mitglied ist am 1. Januar 2024 die Ukraine aufgenommen worden. Aus der sicheren Stromversorgung der Stadt Basel im Jahr 1904 ist eine sichere Stromversorgung von über 400 Millionen Europäern entstanden.
Die IG pro Steg erinnert
Am 13. Februar stiess der Vorstand der IG pro Steg beider Rheinfelden auf der Brown Nizzola-Plattform auf den 121. Geburtstag des Europäischen Stromsystems an und erinnert an die damaligen Strompioniere und ihre Langzeitwirkungen. Aus aktuellem Anlass ist neben Agostino Nizzola, dem Schöpfer des Europäischen Stromverbundnetzes, auch Michael von Dolivo-Dobrowolsky, der Pionier für Drehstrom mit Plattform am deutschen Rheinufer zu erwähnen. Er wurde 1862 südlich von St.Petersburg in Russland geboren, wuchs in Odessa – heute Ukraine – auf und begann ein Studium der Chemie an der Universität Riga – heute Lettland. Als fortschrittlicher Student bekam er Studienverbot in ganz Russland, worauf er 1883 das Land verliess und ins Deutsche Kaiserreich auswanderte. Er studierte schliesslich als einer der ersten Studenten Elektrotechnik an der weltweit ersten Fakultät für Elektrotechnik der Technischen Hochschule Darmstadt, wurde «Chefelektriker» bei AEG Berlin und entwickelte dort den Drehstrom, unseren heutigen Weltstandard. 1897/98 war er für den Einbau der Maschinengruppen («Turbi-nen») inklusive der M10, der «Ur-Turbine des Europäischen Verbundnetzes» im alten Kraftwerk Rheinfelden verantwortlich. Schliesslich zog er in die Schweiz und bekam dort das schweizerische Bürgerrecht.
Die «hochspannende» bebilderte Geschichte des Europäischen Stromverbundnetzes ist auf der Brown Nizzola-Plattform in Rheinfelden (Aargau) am Original-Schauplatz dargestellt und ist öffentlich zugänglich. Und für die wartenden Kinder hat es auf der Plattform eine grosse Gigampfi (Wippe).
Die «Ur-Turbine des Europäischen Verbundnetzes» ist im Pavillon «Kraftwerk Rheinfelden 1898» in Rheinfelden (Baden) am deutschen Rheinufer ausgestellt und kann ebenfalls besichtigt werden (Öffnungszeiten beachten). Beide Orte sind als Meilensteine der Elektrotechnik von welthistorischer Bedeutung am Rheinufer-Rundweg von Rheinfelden gelegen.